Notfall-Gebühr von 50 Franken: Wie sinnvoll ist das?

Wer einen Spitalnotfall aufsucht, soll eine Gebühr zahlen. Das will eine parlamentarische Initiative. Zwei Freiburger Politiker und ein Mediziner nehmen Stellung.

Die vorgeschlagene Taxe soll die Notaufnahmen entlasten. Ist dies der richtige Weg? © Keystone

Die Schweizer Notallstationen stehen seit längerer Zeit unter Druck. Zu deren Entlastung sollen Personen, die eine Spitalnotfallpforte aufsuchen, eine Gebühr zahlen. Diese soll nicht an die Franchise oder Kostenbeteiligung anrechenbar sein. Von der Gebühr ausgenommen werden sollen Kinder unter 16 Jahren und schwere Fälle. Genauer gesagt Menschen, die etwa von einer Hausärztin in den Notfall überwiesen werden und solche mit einer nachfolgenden stationären Behandlung im Spital.

Forderung schon länger im Raum, Meinungen dazu verschieden

Die Forderung einer solchen Gebühr steht schon länger im Raum. Der damalige GLP-Nationalrat Martin Weibel stellte sie mit einer parlamentarischen Initiative während der Herbstsession 2017. Ziel davon ist, das Gesundheitssystem zu entlasten und die Kosten zu senken.

Findet eine Notfallgebühr sinnvoll: Alexandre Vonlanthen, Präsident FDP Freiburg. (zvg)

Beide Räte haben der Initiative schon zugestimmt. Doch bei der Ausgestaltung hapert es bisher - das Geschäft geht zwischen National- und Ständerat hin und her.

Mit der Gebühr wird vermieden, dass Bagatellfälle in den Notfall kommen.

Alexandre Vonlanthen, Präsident FDP Freiburg

Unterstützung bekommt die Gebühr von Alexandre Vonlanthen. "So wird vermieden, dass Bagatellfälle in den Notfall kommen um Dinge behandeln zu lassen, welche auch ein Hausarzt oder ein Apotheker später behandeln könnte", sagt der Präsdent der Freiburger FDP. Es entlaste die Notfallstationen, wenn Prellungen oder kleine Verletzungen nicht dort behandelt würden.

Der Freiburger SP-Präsident Thomas Gremaud lehnt eine Notfallgebühr ab. (RadioFr.)

So gehen Ressourcen verloren, um Menschen zu kontrollieren und zu verängstigen.

Thomas Gremaud, SP-Präsident Freiburg

Der Freiburger SP-Präsident Thomas Gremaud lehnt die Gebühr hingegen ab und betont, die Leute suchten eine Notfallstation nicht zum Spass auf. "Wenn man Ressourcen einsetzt, um Menschen zu kontrollieren und zu verängstigen, gehen diese Ressourcen für die eigentliche Pflege verloren", sagt Gremaud. Sie müssten stattdessen dafür eingesetzt werden, zu kontrollieren, ob jemand in einen Spitalnotfall darf oder nicht.

Medizinische Fachpersonen skeptisch, Triage sei besser

In der Freiburger Politik sind die Meinungen also geteilt. Aber wie sieht die Realität in den Notfallstationen aus? Rund 40‘000 Patientinnen und Patienten wurden auf dem Notfall des Freiburger Spitals HFR im vergangenen Jahr behandelt. Das entspricht etwa 100 Fällen pro Tag. Ein Viertel von ihnen musste nach der Erstbehandlung hospitalisiert werden. Drei Viertel der Patientinnen und Patienten wurden ambulant behandelt, zuweilen auch wegen Lebensbedrohlichem.

Für Vincent Ribordy, Chefarzt HFR-Notaufnahme ist die Notffallgebühr nicht die beste Lösung. (Keystone)

Vincent Ribordy ist Chefarzt HFR-Notaufnahme und Co-Präsident der Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin. Er sagt, eine Notfallgebühr werde die Probleme nicht wirklich lösen und fügt an: "Man wird damit Menschen, die aufgrund weniger schwerwiegenden Gründen kommen, für die Überlastung veranwortlich machen." Das sei nicht richtig.

Auch die kleinen Notfälle sind für die Betroffenen dringend.

Für Vincent Ribordy, Chefarzt HFR-Notaufnahme

Wenn man sich zum Beispiel schneide, müsse manchmal genäht werden oder wer ein Fremdkörper im Auge habe, könne nicht unbedingt bis zum nächten Tag warten, dass eine Hausärztin oder ein Hausarzt den Fremdkörper entfernt. "Auch die kleinen Notfälle sind für die Betroffenen dringend."

Gemäss Vincent Ribordy sind es aber nicht die sogenannten Bagatellfälle, welche die Notfallstationen überlasten. Vielmehr forderten die komplexen Fälle viel Personal, das zunehmend fehle. Und diese Fälle wären von einer 50-Franken-Notfallgebühr gar nicht betroffen.

Eine verbesserte Triage ist zielführender.

Schweizerische Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin (SGNOR)

Die Schweizerische Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin (SGNOR) spricht sich ebenfalls gegen eine Gebühr aus. Mit chronisch Kranken, älteren oder ärmeren Menschen drohe sie  die Falschen zu treffen. Der Begriff "Bagatellfälle" sei ausserdem unklar und Menschen würden pauschal als "Hypochonder" abgestempelt. Schliesslich sei die Gebühr in der Praxis kaum umsetzbar.

Stattdessen sei eine verbesserte Triage in den Notfallstationen zielführender. Laut SGNOR ist eine solche etwa durch interprofessionelles und gut geschultes Personal, Patientenleitung, Beratung und moderne Technologie umsetzbar und sei zielführender.

Zur Zeit berät die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit wieder über die Ausgestaltung der Notfallgebühr. Danach geht das Geschäft erneut in die eidgenössischen Räte.

RadioFr. - Lauriane Schott / Tobias Brunner
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