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Zufriedene Lehrpersonen, zufriedener Kanton – stimmt das?

Bildungsdirektorin Sylvie Bonvin-Sansonnens hat die Ergebnisse der Arbeitszeiterhebung der Lehrpersonen präsentiert. Und ist zufrieden. Trotzdem soll die Situation weiter analysiert werden. Vor allem, weil die Anzahl Überstunden explodiert.

Die Resultate der Arbeitszeiterhebung bei Lehrpersonen stimmen Bildungsdirektorin Sylvie Bonvin-Sansonnens zuversichtlich. Trotzdem bleiben Fragen offen. © Keystone

Die Lehrpersonen im Kanton Freiburg sind zufrieden – leisten aber zu viele Überstunden. Das geht aus der Arbeitszeiterhebung bei Lehrpersonen im Kanton hervor, die Staatsrätin Sylvie Bonvin-Sansonnens am Montagmorgen präsentiert hat.

Während des gesamten Kalenderjahres 2023 wurden Lehrpersonen dazu eingeladen, ihre Arbeitszeiten zu erfassen – und ihre Zufriedenheit auf einer Skala von 1 bis 10 zu bewerten. Die Antworten von 4100 Lehrpersonen sind in die Analyse eingeflossen – das sind fast 85 Prozent aller Lehrpersonen im Kanton. Ein überdurchschnittlicher Wert.

Die gute Nachricht: Im Durchschnitt bewerten Lehrpersonen ihre Zufriedenheit im Beruf mit einer Note von mehr als 7. Im Detail haben rund 3200 der insgesamt 4100 Umfrageteilnehmenden ihre Zufriedenheit mit einer 7 oder höher angegeben.

Das freut auch Bildungsdirektorin Sylvie Bonvin-Sansonnens. "Die Resultate bestätigen eine frühere Umfrage, die wir vor zwei Jahren durchgeführt haben", sagt sie. Auf diesen Lorbeeren dürften sich die Verantwortlichen indes nicht ausruhen. "Wir müssen diese Zufriedenheit weiter pflegen, den Lehrpersonen zuhören und an der ständigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen arbeiten", so Bonvin-Sansonnens.

Und das ist auch notwendig.

 Zweifelhafte Zufriedenheitswerte

 Erst kürzlich haben die Gewerkschaften Bildung Freiburg und VPOD eine Petition mit fast 3000 Unterschriften beim Staatsrat deponiert. Darin fordern sie mit vier konkreten Forderungen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Lehrpersonen.

Insgesamt wies die Bildungsdirektion für das vergangene Schuljahr knapp 5400 Lehrpersonen im Kanton aus. Rund 3200 haben in der vom Beratungsbüro Ecoplan durchgeführten Arbeitszeiterhebung eine Zufriedenheit von 7 oder mehr angegeben. Etwa 3000 aber haben eine Petition für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen unterschrieben?

Wie geht das auf?

Vertreter von Bildung Freiburg und des VPOD überreichen Vizekanzler Marc Valloton die rund 300 Unterschriften ihrer gemeinsamen Petition. © zvg

Staatsrätin Sylvie Bonvin-Sansonnens will diese Frage nicht beantworten. Die Petition von Bildung Freiburg und dem VPOD, sagt sie, sei an den Gesamtstaatsrat überwiesen worden. Deshalb müsse auch der Gesamtstaatsrat Stellung dazu nehmen. Sie könne sich deswegen nicht dazu äussern.

Doch zurück zur Erhebung.

Je tiefer das Pensum, desto mehr Überstunden

Gemäss der Umfrage von Ecoplan arbeiten Lehrpersonen in einem Vollzeitpensum nahezu gemäss ihren vertraglich festgelegten Arbeitszeiten. Vorgesehen sind 1900 Stunden pro Jahr, tatsächlich würden im Durchschnitt 1844 Stunden geleistet. Das, sagt Staatsrätin Bonvin-Sansonnens, sei nicht weiter problematisch.

Problematischer entwickelt sich die Anzahl gemeldeter Überstunden jedoch, je tiefer das Arbeitspensum ist. Pro 20 Prozent tieferem Pensum werden rund 100 zusätzliche Überstunden ausgewiesen. Bei Pensen zwischen 70 und 90 Prozent waren es 88 Überstunden, für Teilzeitangestellte zwischen 50 und 70 bereits 209. Mitarbeitende in einem Pensum zwischen 30 und 50 Prozent wiesen bereits 294 Überstunden aus. Auf ganze 409 Überstunden kommen Lehrerinnen und Lehrer mit einem Pensum bis 30 Prozent. Das entspricht fast einer Verdoppelung ihrer Arbeitszeit.

Oder: Je tiefer das Pensum, desto mehr Überstunden.

Deshalb will Staatsrätin Sylvie Bonvin-Sansonnens nun handeln. "Die Frage, die wir nun stellen müssen, ist, was die Teilzeitbeschäftigten unter Überstunden verstehen und in welchem Rahmen sie zustande kommen." Dafür soll auf die eben vorgestellte quantitative Analyse eine qualitative Analyse folgen. "Wir werden eine Arbeitsgruppe einsetzen, die zunächst die Ergebnisse des Ecoplan-Berichts analysieren wird", sagt sie, "Was sind das für Überstunden – und wie können wir die Arbeitsbelastung verringern?". Dafür wolle die BKAD wiederum mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten.

Doch so ganz scheint Staatsrätin Bonvin-Sansonnens der Arbeitszeiterhebung nicht zu trauen.

Haben die Lehrerinnen und Lehrer geschummelt?

Verschiedene Faktoren könnten die Ergebnisse verzerrt haben, sagte Bonvin-Sansonnens gegen Ende der Pressekonferenz. So drohe die Gefahr, dass kleine Pensen zu stark gewichtet würden. Oder, schreibt die BKAD in der Präsentation als Beispiel einer weiteren Gefahr: "Bewusste oder unbewusste Tendenz, die Anzahl Arbeitsstunden während der Erhebungswoche sehr grosszügig aufzuschreiben."

Bei diesem Punkt griff Philipp Walker während der Pressekonferenz korrigierend ein. Er arbeitet für das Beratungsunternehmen Ecoplan und hat den Bericht mitverfasst. Natürlich gebe es immer eine Fehlermarge, so Walker, doch er vertraue den erhobenen Zahlen. Zumal die Daten gewichtet und auf deren Wahrscheinlichkeit überprüft wurden – im Fachjargon einer "Plausibilisierung" unterzogen wurden.

Darauf angesprochen, sagt Bonvin-Sansonnens: "Die Umfrage kann Verzerrungen aufweisen." Zum Beispiel, dass man "mehr Stunden aufschreibt, als man tatsächlich gearbeitet hat". Ecoplan habe versucht, diese Verzerrungen aufzudecken.

Doch im 48-seitigen Bericht von Ecoplan lässt sich keine Aussage zu allfälligen Unregelmässigkeiten bei der Arbeitszeiterhebung finden – mit Ausnahme von vier Absätzen zur Plausibilisierung und der dazugehörigen Methodik.

Die Aussage des BKAD in den Unterlagen muss dementsprechend auf einer anderen, unbekannten Grundlage basieren – oder ist schlicht politisch motiviert.

Damit konfrontiert macht Bonvin-Sansonnens einen Rückzieher: "Wir gehen jedoch davon aus, dass die Lehrerinnen und Lehrer den Fragebogen ehrlich beantwortet haben, und auf der Grundlage dieser Zahlen können wir nun arbeiten und versuchen, Verbesserungen vorzunehmen."

Die qualitative Analyse soll nun bereits im laufenden Schuljahr 2024/25 durchgeführt werden – in Zusammenarbeit mit Lehrpersonen, Schuldirektionen sowie den Berufsverbänden. Doch die üben teilweise schon scharfe Kritik.

Die Milchbüchleinrechnung der Gewerkschaft VPOD

Nur wenige Stunden nach der Pressekonferenz verschickte die Gruppe Bildung der Gewerkschaft VPOD ein geharnischtes Communiqué. Darin schreibt sie, dass "die BKAD die Ergebnisse der Erhebung zu ihrem eigenen Vorteil interpretiere". Konkret: dass Vollzeitangestellte weniger arbeiten als vertraglich gefordert, dass die Zufriedenheit hoch sei, dass Überstunden nur tiefe Pensen betreffen. "Das steht alles im Bericht von Ecoplan und trifft auch zu", schreibt der VPOD, "doch es sind nicht die interessantesten und relevantesten."

So gehe aus der Arbeitszeiterhebung vor allem hervor, dass "Teilzeitarbeit das vorherrschende Beschäftigungsmodell für Lehrpersonen ist und dass sie im Schnitt 128 Überstunden pro Jahr leisten". Gemäss einer Milchbüchleinrechnung des VPOD spare der Kanton durch die kumuliert fast 540'000 unbezahlten Überstunden Lohnkosten von über 32 Millionen Franken.

Der Staat solle deshalb in diesem Umfang Mittel zur Verfügung stellen, um – entsprechend den Forderungen in der Petition – "genügend Lehrerinnen und Lehrer auszubilden und einzustellen, die Klassengrössen zu senken, den gemeinsamen Unterricht auszubauen und die Mittel für die integrative Schule massiv aufzustocken".

Freiburger Nachrichten - Redaktion / Adrien Woeffray
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