Zusammen fluid leben und spielen

Nach zig Konzerten haben Omni Selassi mit "Dance or Dye" ihr erstes Album veröffentlicht. Touchierende Momente eines Gesprächs in Bümpliz.

Omni Selassi verteilen ihre Songs auf zeitlich teils irrwitzigen Tourneen durch ganz Europa. © zvg

Es ist dieses verdammt intensive Schwelen oder nenn es ein permanentes Glühen, was die Anziehungskraft von Omni Selassi ausmacht. Während den Konzerten legen Rea Dubach, Lukas Rutzen und Mirko Schwab gerne Blut, Schweiss und Tränen auf dem Altar aus und entfachen alles im viszeralen Schwung ihrer vereinnahmenden Performances. So jedenfalls eine Leseart des ganzen Mummenschanzes. Vielleicht ist es aber auch eine Art Hyperfokus, mit welchem die Omnis live ihre Songideen mit den sonischen Venen und Strukturfasern versehen, die bannendes Momentum erst möglich machen. Musste das Trio erst 3-4 Jahre auf den europäischen Bühnen das selassische Amalgam austüfteln, bis sie ready waren, ihre Mucke auf ein Album zu bannen?

„Das ist natürlich eine schöne Geschichte, aber wir haben die Arbeit an dem Album bereits viel früher begonnen“, erklärt Mirko Schwab auf der Terrasse einer Beiz an einem Bümplizer Strassenrand. Sprich, Dance or Dye ist keine Momentaufnahme, sondern wurde peu à peu zusammengeschustert. „Wir haben die Ideen lange mit uns rumgeschleppt, diverse Versionen ausprobiert und auch an verschiedenen Orten mit ganz eigenen Bedingungen aufgenommen“. Dieser episodenhafte Entstehungsprozess des Albums wirkt für das Ohr aber nicht wie ein schnödes sonisches Hörnlibild, sondern wie eine facetten- und farbenreiche Collage.

Bereits die ersten drei Tracks „Words Like Ships“, „frenchsong.“ und „Onîhanîghâ“ sprühen vor überraschenden Wechseln und Soundüberlagerungen, die von besagter Spielerei mit zig Versionen zeugen und trotz mehrmaligem Durchhören immer wieder neue Hörnischen bergen. Live auf der Bühne lassen die Omnis diesen Pool an Ideen und Songversionen das Momentum perfundieren, womit sie an ihren Konzerten Augen und Ohren in ihren Bann ziehen. Es scheint, als würden die drei ihre kreativen Adern auf der Bühne vermengen, Ideen, Sounds und Wendungen während dem Spiel einbringen und im Trio das Eingeworfene einbauen, ergänzen oder wieder dekonstruieren. „To define is to kill, to suggest is to create“, fügt Lukas Rutzen an, der sich in der Diskussion an einen Spruch einer italienischen Saxofonistin erinnert.

Das Trio lebt musikalisch von emotionaler Interaktion und kreativem Geben und Nehmen, was die Beziehung der drei sicherlich ausmacht und manchmal auch etwas too much sein kann. Aber welche intensiven Herzbunde sind schon lockere Schleifenfiguren. „Es ist enorm wichtig, dass man Sachen zusammen fluid leben kann“, meint Rea Dubach. Vielleicht evoziert genau dieses Fliessende den Vortex, welcher die Musik und die Konzerte der Omnis auslösen kann. „Es ist gut, wenn eine Art meditative Situation entsteht und auch wieder aufgebrochen wird, aber ich würde nie Musik machen wollen, die auf diesen Effekt setzt“, meint Mirko Schwab. So entsteht ein Trancegefühl bei Omni Selassi vielleicht weniger durch oberflächlich erkennbare mantrische Musik, sondern vielleicht eher durch Fokus, Emotion oder Spielart, wie Lukas Rutzen sinniert.

Weiterer wichtiger Schlüssel zur Omniwelt ist zudem Humor und einen unbeschwerten pathosfreien Zugang zur gemeinsamen Sache. „Ich finde es immer spannend, wenn wir irgendwie nicht klar kommen auf der Bühne und alles ein wenig auseinanderzufallen droht. Diese Momente sind enorm wertvoll, weil die Sache dadurch Risse erhält, die Platz für Neues eröffnen“, erklärt Rea Dubach. Eine emotionale und konstruktive Kraft, die auf Platte und Bühne unglaublich gut funktioniert.

Der Kern der ganzen Story ist eigentlich emotionale Aufrichtigkeit nach innen und aussen. Omni Selassi ist nicht eine Idee, die sich mit einer scharfen Linie zeichnen lässt, sondern eher eine kreative Wolkenmasse an empathischen Partikeln, die aufeinander reagieren – und dabei verdammt gute Musik schaffen. Merci...

Dance or Dye ist auf A Tree in a Field erschienen.

RadioFr. - Valentin Brügger
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