"Bundesrat Deiss ist zwischen Krawattenträger und Hippie"
Franz Brülhart porträtiert in Mariahilf Freiburger Persönlichkeiten und sagt, er finde die Schönheit bei allen Menschen. Wie geht er vor?
Eine Handvoll Gesichter schaut von den Wänden in den Raum. Ihre Blicke ziehen mich ins Atelier ihres Erschaffers Franz Brülhart. Der Sensler Porträtist taucht schliesslich selbst zwischen Tischen, Farbbehältern, einer Musikanlage, Büchern, CDs und Pinseln auf und reicht mir die Hand. Seine wache Art und sein blutroter Pullover wärmen den Raum an diesem frischen Wintermorgen auf.

Prominenz und private Porträts
Bevor wir uns an einen kleinen Tisch setzen, führt mich Brülhart durch seinen Schaffensraum. Diverse Menschen aus der Region hat er hier schon gemalt: Unter ihnen etwa den Jazzpianisten Stefan Aeby, die Künstlerin Isabelle Krieg, den Performancekünstler und Blue Factory-Kulturmanager Martin Schick, oder den Künstler Peter Aeschmann.
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Und den ehemaligen Freiburger Bundesrat Joseph Deiss. Eine Version von dessen Porträt steht im Lagerraum. Ich solle es aber besser nicht ablichten, sagt mir der in Ueberstorf aufgewachsene Brülhart. "Er sieht da ein bisschen aus wie ein Hippie." Ob Deiss für ihn denn ein Hippie sei, will ich vom Künstler wissen. "Nein", sagt dieser, ein Hippie sei Deiss nicht.
Der einzige Grund, ein Porträt fertigzumachen, ist ein Termin.
Aber die Wahrheit liege irgendwo dazwischen. Zwischen Krawattenträger und Hippie. Er male eigentlich keine offiziellen Porträts, sondern private, persönliche mit einer gewissen Intimität drin, sagt Brülhart. Der 62-Jährige glaubt, dass Deiss im Porträt etwas zum Hippie geworden sei, sei eher aus der Lust entstanden, als dass er den Alt-Bundesrat effektiv in diese Ecke habe stellen wollen.
Konstante Bewegung und Lebendigkeit
Um ein Porträt zu malen, brauche er mindestens ein halbes Jahr. Von der ersten Begegnung über ein Konzept, über ein langsames Aufbauen. Bis zum endlosen Fertigschaffen, um genau den Moment, den Ausdruck zu erhalten, welchen er sich wünsche. "Der einzige Grund, ein Porträt fertigzumachen, ist ein Termin", findet Brülhart. Sonst sei es etwas, das konstant in Bewegung bleibe.

Ein Porträt ist in der Begegnung konstant in der Veränderung.
Er schaut aus einem Fenster seines Ateliers und sinniert: "Ich habs auch schon verglichen mit Wolken malen." Eine Wolke wolle man auch nicht fertigmalen, weil das bedeute, etwas fertigzumachen, das sonst in der Begegnung konstant in der Veränderung ist.
Ich finde die Schönheit bei allen.
Es gebe aber doch sowas wie ein Schlusspunkt. Etwa der Moment, wenn er sehe, dass er es mit dem Porträt getroffen habe. Wenn er sehe, dass es ankomme. "Ankommen bedeutet aber nicht, dass es ein glücklicher oder einfacher Moment ist für das Modell." Ankommen bedeute, dass er sehe, dass die Begegnung lebendig sei.
Schönheit und Kontaktaufnahme
Brülhart interessieren nicht die schwierigen, alltäglichen Seiten der Menschen, wie er betont. Sondern die Schönheit des Wesens einer Person. Und die finde er bei allen. "Die Betrachtenden sollen nicht ein starres Porträt vor sich haben, das sie aus der Distanz anschauen können, sondern hoffentlich eine Person, die aus dem Porträt rauskommt und den Kontakt aufnimmt, zulässt", sagt er.

In seinem Atelier sind auch Porträts von Menschen, die Brülhart in Armenien kennengelernt und gemalt hat. Warum es ihm dieses Land und seine Leute derart angetan haben, ist im folgenden Audio nachzuhören.