Der Klang des Dorfs
Manuel Oberholzer und Julian Sartorius machen mit „Bonn Route“ Orte der Gemeinde Düdingen anders hörbar. Klangspiel und Perspektivenwechsel.

Dem sanften Tourismus frönen, Sehenswürdigkeiten ablatschen, Infotafelwissen zwischenspeichern, schnell noch die temporäre Erinnerung posten und zurück in den Modus Autopilot. Überspitzte Darstellung heutigen Verhaltens auf Reisen und Ausflügen, wobei sicher wohl wenigstens eines dieser Elemente in der eigenen Erinnerung bereits Erlebtem gleicht. Nur wie sich teils solchen eher oberflächlichen Erfahrungen entziehen?
Der Freiburger Musiker Manuel Oberholzer (Feldermelder) und der Perkussionist Julian Sartorius ermöglichen mit Bonn Route ein Klangwandeln durch die Gemeinde Düdingen. Anders als erklärende Audio-Guides macht Bonn Route das visuelle Umfeld gewisser Orte im Dorf hörbar. Via Internetseite und Geolokalisation erklingen die Stücke bei den entsprechenden Orten in den Smartphone-Kopfhörern.
Der Titel referiert hier auf das Konzertlokal Bad Bonn, das den sonischen Rundgang zusammen mit dem Kleinkino KRAN in Auftrag gegeben hat. „Wir haben zuerst alle Stationen besucht und darüber gesprochen, was wir dort sehen und hören,“ wie Manuel Oberholzer erklärt. Das Ziel war es, die elf Stücke auf Bonn Route getreu dem Klangmaterial der einzelnen Orte zu kreieren und „gleichzeitig ein musikalisches Werk zu schaffen.“
Alternative Wahrnehmungen
Aus Feldaufnahmen und perkussiven Klängen, die Julian Sartorius den Objekten oder Architektur bei Stationen wie „Zündholzfabrik“, „Hohla“ oder „Grotte“ mit seinen Drumsticks entlockte, hat Manuel Oberholzer Stücke geschaffen, die nicht nur das widergeben, was für das nackte Ohr wahrnehmbar ist, sondern auch „den Sound der Orte neu interpretieren,“ wie Oberholzer ergänzt.
So ist etwa bei „Bahnhof“ klar das Säuseln und Vorbeizischen eines Zuges wahrnehmbar, deformierte Wortfetzen von Lautsprecherdurchsagen oder vielleicht von in Zwischenwelten gefallenen Pendlerinnen. Bei „Veloweg“ wird das Gestänge der Struktur zur treibenden Rhythmusmaschine, „Am Bach“ dreht der Verstand in einer Wundertrommel, die sich zunehmen verflüssigt, „Friedhof“ groovt auf Stein und Kies, oder bei „Schulhaus“ wird der Pausenhofgang zum epischen Trip. Was ohne visuellen Kontext vielleicht abstrakt klingen mag, ergibt spätestens dann Sinn, wenn man sich auf die Bonn Route begibt und erlebt, wie bei den elf Stationen das Gehörte zum Gesehenen passt.
Andere Perspektiven
Erzeugt der Schlag auf ein Geländer wohl den gerade gehörten Klang, das Reiben über eine bestimme Oberfläche dieses Scharren oder der Verkehrslärm der nahegelegenen Strasse wohl jenes wohlige Wummern? Nicht nur Fragen und Gedanken, die sich auf der Bonn Route ergeben können, sondern auch Perspektivenwechsel und Fokussierungen auf Details der Umwelt, die uns spazierend das Hören und Sehen neu lehren.




