Für oder gegen eine Greyerzer Megagemeinde?

Am 9. Juni wird die Stimmbevölkerung der Greyerzbezirks darüber abstimmen, ob die Planung einer Einheitsgemeinde fortgesetzt werden soll.

Eine fusionierte Greyerzer Gemeinde mit 60'000 Einwohnerinnen und Einwohner die grösste im Kanton Freiburg. © KEYSTONE

Aus der Fusion aller 25 Gemeinden des Greyerzbezirks würde mit rund 500 Quadratkilometern und einer Bevölkerung von 60'000 Personen die grösste Gemeinde des Kantons entstehen lassen. Erste Machbarkeitsstudien haben bereits die Umrisse dieser potentiellen Megagemeinde skizziert. Für die Einheitsgemeinde wäre ein Gemeinderat als Exekutive und ein Generalrat als Legislative vorgesehen. Die Bevölkerung würde zudem über die Option des Gemeindereferendums verfügen, um auf Beschlüsse zu reagieren. Eine ausführliche Finanzanalyse im Rahmen der Machbarkeitsstudie ergab für die Megagemeinde einen Steuerfuss von 75 bis 78 Prozent, eine Liegenschaftssteuer von 1,5 bis 2 Promille und eine Gesamtinvestitionskapazität zwischen 371 und 460 Millionen Franken.

Bevor die nächste Etappe ansteht, sollen die Greyerzerinnen und Greyerzer darüber abstimmen, ob die Planung überhaupt vorangetrieben werden soll oder nicht. Deshalb findet am 9. Juni eine konsultative Volksabstimmung statt, um die grundsätzliche Meinung der Bevölkerung zu diesem Thema zu erfassen. Das Abstimmungsresultat verpflichtet jedoch nicht zu einem konkreten Projekt.

Pro: Gemeinsam stärker für die Herausforderungen der Zukunft

"Diese ehrgeizige Idee ist aus der Feststellung entstanden, dass die Gemeindeführung heute ein zunehmend schwieriges Unterfangen ist", erläuterte Vincent Bosson, der Oberamtmann des Greyerzbezirks, an einer Informationsveranstaltung in der Gemeinde Jaun. Die gewählten Gemeindevertreterinnen und -vertreter müssen immer zahlreichere Aufgaben übernehmen und auch die Erwartungen der Bevölkerung an die Gemeindeverwaltung wachsen stetig, so Bosson weiter. Diese Aufgaben könnten von den Organen der Einheitsgemeinde übernommen werden und müssten nicht mehr von verschiedenen Gemeindeverbänden getragen werden. "Über diese interkommunalen Verbände arbeiten wir bereits sehr nahe zusammen", sagt der Syndic der Gemeinde Val-de-Charmey, Gonzague Charrière, gegenüber RadioFr. "Es stellt sich jetzt die Frage, warum wir nicht einen zusätzlichen Schritt tun sollten, um neue politische und administrative Strukturen zu schaffen". Für Charrière ist es fragwürdig, ob die bisherigen Funktionsweisen und Kapazitäten den künftigen administrativen Herausforderungen und Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht werden können.

Ähnlich äusserte sich Jochen Mooser, Syndic von Jaun, an besagter Informationsveranstaltung. Währendem die Bevölkerung der Greyerzer Gemeinden in den letzten 15 Jahren im Schnitt um 25 Prozent gewachsen ist, verzeichnet Jaun einen leichten Bevölkerungsrückgang. Nebst der gesteigerten Komplexität der Dossiers und der wachsenden Schwierigkeit, engagierte Personen für den Gemeinderat und die Administration zu finden, steht für Mooser vor allem der finanzielle Aspekt im Zentrum der Diskussion. "Für Projekte, wie die neue Orientierungsschule, der Ausbau von Alters- und Pflegeheimen, das neuen Sportzentrum etc., wird bis 2030 mit Ausgaben von 400 Millionen Franken berechnet. Jaun, als Teil dieser Gemeindeverbände, übernimmt rund 1 Prozent der Kosten, also 4 Millionen Franken, übernehmen", so Mooser. Eine Einheitsgemeinde könnte also die finanzielle Last mindern, die auf der Gemeinde Jaun ruht, wobei indirekt von den Steuereinnahmen der Einheitsgemeinde profitiert werden könne. "Die anderen Gemeinden brauchen uns nicht, aber wir brauchen die anderen Gemeinden", resümierte Mooser an der Informationsveranstaltung. "Wir hätten sicherlich ein paar grosse Probleme weniger".

Zusammenfassung der PRO-Argumente:

  • Als grösste Gemeinde des Kantons würde La Gruyère gegenüber den kantonalen Behörden und dem Bund an Einfluss gewinnen
  • Kleinere Gemeinden könnten unter anderem im Bereich Infrastruktur von der finanziellen Kraft der Einheitsgemeinde profitieren
  • Die Leistungen wären auf das Gebiet der Einheitsgemeinde gerechter verteilt

Kontra: Eine ungerechte Fusion?

"Ich bin nicht überzeugt, dass eine Einheitsgemeinde nicht das richtige Modell ist", sagt Gabriel Kolly, Syndic von Corbières, gegenüber RadioFr. Für ihn ist klar, dass sich die politischen und behördlichen Strukturen weiterentwickeln müssen, aber eine Megagemeinde La Gruyère birgt für Kolly mehr Nachteile als konkrete Chancen, vor allem für kleinere Gemeinden."Bei einer solchen Zentralisierung werden die kleinen Kommunen Mühe haben, ihre Interessen zu verteidigen", so Kolly gegenüber RadioFr. Es sei zudem fragwürdig, ob eine solche solche Struktur in der Lage ist, die Fühler bis in die Randregionen auszustrecken. "Wir haben keine Garantie, dass beispielsweise die Infrastrukturen in der Peripherie genügend beachtet werden", meint Kolly. Es gäbe viele Entscheide, bei welchen spezifische Begebenheiten und Bedürfnisse einer Gemeinde respektiert werden müssen. "Mit einer Einheitsgemeinde verliert die Bevölkerung die Nähe zu Behörden und den gewählten Vertreterinnen und Vertretern", argumentiert der Syndic von Corbières.

Auch der Oberamtmann des Greyerzbezirks, Vincent Bosson, ist sich den Ängsten der kleineren Gemeinde bewusst. Vor allem punkto Beziehung zwischen Gemeindepolitk und dem lokalen Gewerbe sowie den Vereinen. "Mit der Einheitsgemeinde besteht die Gefahr, dass die Behörden zu weit entfernt sind", wie Bosson an genannter Informationsveranstaltung in Jaun sagte. Auch würde sich wohl das Profil der gewählten Vertreterinnen und Vertreter teilweise verändern. Mit der Schaffung einer Einheitsgemeinde ginge eine Professionalisierung des politische Engagement einher, so Bosson weiter. "Die Gemeindeorgane wären grundsätzlich politisch". Auch finanziell hätte eine Zusammenführung der 25 bestehenden Greyerzer Gemeinde konkrete Folgen. Während Gemeinden mit hohen bis sehr hohen Steuersätzen und Steuerfüssen, wie beispielsweise Jaun, steuertechnisch von dieser Grossfusion profitieren würden, müssten Personen in einigen anderen Gemeinden mit höheren Steuern rechnen. Zudem würde die Verwaltung einer Greyerzer Megagemeinde einen entsprechend hohen Personalbedarf bedeuten, um im ganzen Gebiet die gleichen Leistungen zu gewährleisten. "Letztendlich könnte der Betrieb genau so kostspielig sein wie heute", so der Oberamtmann des Greyerzbezirks.

Zusammenfassung der KONTRA-Argumente:

  • Kleinere Gemeinden könnten Mühe haben, ihre Interessen zu verteidigen.
  • Mit einer Einheitsgemeinde verliert die Bevölkerung die Nähe zu Behörden und den gewählten Vertreterinnen und Vertretern
  • Durch die Zentralisierung besteht die Gefahr eines ungleichen Kräfteverhältnisses

Am 9. Juni entscheidet die Stimmbevölkerung der 25 Greyerzer Gemeinden, ob die Planung der Megagemeinde La Gruyère weitergeführt werden soll. Spricht sich die Bevölkerung bei der konsultativen Abstimmung für eine Weiterführung des Projekts aus, würde der Steuerungsausschuss, bestehend aus den 25 Syndics der Greyerzer Gemeinden, die weiteren Etappen planen. Eine Abstimmung über einen konkreten Fusionsvertrag könnte dann am Ende der Legislaturperiode 2026-2031 stattfinden. Die Gemeinden würden also nicht vor 2032 fusionieren.

RadioFr. - Valentin Brügger
...