Grosser Rat rüttelt am Religionsunterricht

Zwei Grossräte wollten den wöchentlichen Religionsunterricht streichen. Das sei verfassungswidrig, sagte eine Mehrheit und lehnte die Motion ab. Trotzdem wird der Unterricht angepasst.

Die wöchentliche Religionsstunde könne intelligenter genutzt werden. © Keystone

Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler im Kanton, die den Religionsunterricht besuchen, ist seit Jahren im Sturzflug. Trotzdem bleibt eine wöchentliche Lektion im Stundenplan bestehen, wenn auch auf freiwilliger Basis. Wer sich vom Religionsunterricht dispensieren lässt, wird während dieser Zeit beaufsichtigt. Daran störten sich Savio Michellod (FDP, Granges) und Pierre Vial (SP, Progens).

Die wöchentliche Schulstunde könne intelligenter genutzt werden. Für digitale Bildung, mehr Sprach- oder Geschichtsunterricht. Oder, anders ausgedrückt: Der Religionsunterricht sei verschwendete Zeit. In ihrer Motion sprachen sich Michellod und Vial zwar dafür aus, den Religionsunterricht beizubehalten. Aber fakultativ und ausserhalb des Stundenplans. So könne den Bedürfnissen aller Sorge getragen werden. Doch dagegen erhob sich Widerstand.

Verfassungswidrig schreien die Gegner

Obschon sich eine Mehrheit für die "pragmatische Idee" begeistern konnte, die den gesellschaftlichen Wandel und die heutigen Gegebenheiten berücksichtigte, war die Motion letztlich chancenlos. Ausschlaggebend dafür waren insbesondere staatspolitische Überlegungen, gar verfassungspolitische. Denn, sagte Grossrätin Antoinette de Weck (FDP, Freiburg): "Die Motion ist sehr wohl verfassungswidrig. Und wir Grossräte haben alle einen Eid darauf abgelegt, die Verfassung zu respektieren".

Grund für de Wecks Aussage war ihr Vorredner und Co-Motionär Pierre Vial. "Die Motion", sagte er, "ist weder dogmatisch noch antiklerikal". Er wolle keine Grundsatzdiskussion über die Trennung von Kirche und Staat anstossen. Aber der heutige Unterricht stelle alle Parteien vor Herausforderungen: die Schulen, die Eltern, die Schülerinnen und Schüler.

Und die Religionsgemeinschaften, die zunehmend weniger Personal für den Unterricht finden. "Mehr Mühe habe ich mit dem Argument der Verfassungswidrigkeit", sagte Vial und bezog sich damit auf die Antwort des Staatsrats. Er glaube nicht, dass die Verfassungsräte vor zwanzig Jahren das Thema so eng gesehen hätten.

"Doch", sagte de Weck. Sie war bei der Erarbeitung der heutigen Kantonsverfassung im Verfassungsrat und habe sich für den Erhalt des Religionsunterrichts in der Schule eingesetzt. Und doch konnte auch sie sich für einen Kompromissvorschlag erwärmen.

Nun soll es das Gesetz richten

Bereits in seiner Antwort auf den Vorstoss hatte der Staatsrat die Motion zur Ablehnung empfohlen. Nicht aber, ohne von einem "möglichen Konsens" zu sprechen, der sich abzeichne.

So könne beispielsweise das Schulgesetz dahingehend geändert werden, dass im wöchentlichen Stundenplan "eine bestimmte Zeit für den konfessionellen Religionsunterricht der anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften vorgesehen" sei. Also die römisch-katholische und die evangelisch-reformierte Kirche. Die israelitische Gemeinschaft sei zwar ebenfalls anerkannt, mache von diesem Recht allerdings keinen Gebrauch.

Die anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften, so der Staatsrat, hätten auch weiterhin das Recht, für diesen Unterricht die Schulräumlichkeiten unentgeltlich zu benutzen. Neu hingegen wäre ein Zusatz, wonach die Modalitäten von den Direktionen und den Religionsgemeinschaften abgesprochen würden.

Denn die "Schulzeit" beschränke sich nicht nur auf den Stundenplan, sondern auch auf weitere schulische Aktivitäten. Kurz gesagt: Der Religionsunterricht könne auch zu Rand- oder anderen unterrichtsfreien Zeiten stattfinden.

Eine Art indirekter indirekter Gegenvorschlag

Da der Staatsrat auf eine nicht ausgearbeitete Motion nicht mit einem Gegenentwurf antworten könne, empfehle er die Motion zur Ablehnung. Er wurde dabei von einer Mehrheit von 67 Nein- zu 22 Ja-Stimmen unterstützt. Grosse Teile der bürgerlichen Parteien und von Mitte-Links-CSP sprachen sich gegen die Motion aus.

Hingegen verpflichtete sich der Staatsrat, eben diesen Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Da er dies nicht in Form eines indirekten Gegenentwurfs machen konnte, der bei Ablehnung der Motion direkt in Kraft tritt, brauchte es eine zweite Abstimmung. Eine Art indirekter indirekter Gegenvorschlag. Eine komfortable Mehrheit von 63 Abgeordneten akzeptierte den Kompromissvorschlag des Staatsrats.

Nun wird die Regierung im Einvernehmen mit Vertretern der römisch-katholischen und der evangelisch-reformierten Kirche einen Gesetzesvorentwurf ausarbeiten und dem Grossen Rat vorlegen.

Freiburger Nachrichten - Redaktion / Adrien Woeffray
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