Kinderbetreuung: moderne Sklaverei vs. Diskriminierung

Der Grosse Rat hat über Steuerabzüge bei der Kinderbetreuung diskutiert. Dabei ging es hitzig und teilweise auch polemisch zu und her.

Wer betreut die Kinder, wenn die Eltern arbeiten? Eine Frage, die sich heute viele Paare stellen. © Keystone

Eltern, die beide einer regelmässigen Erwerbstätigkeit nachgehen, kennen das Dilemma. Wer übernimmt die Kinderbetreuung, wenn niemand zu Hause ist? Für viele lautet die Lösung dann, der Besuch bei der KITA. Wer im Kanton Freiburg sein Kind in die Kindertagesstätte bringt, kann dafür einen Steuerabzug von maximal 12'000 Franken pro Kind geltend machen. Wer auf eine Drittbetreuung verzichtet, der geht leer aus. Eine klare Diskriminierung fand die Mitte Fraktion. Die beiden Grossräte Laurent Baeriswyl und Esther Schwaller-Merkle wollten diese Ungleichbehandlung mit einer Motion aus der Welt schaffen.

Grüne: Moderne Versklavung der Frau

Den Motionären blies aber jede Menge Gegenwind entgegen. Am eisigsten aus der Fraktion der Grünen. Fraktionspräsident François Ingold erzürnte sich am Vorschlag. Er habe gedacht, er lebe im 21. Jahrhundert, liess Ingold in seiner Wortmeldung verlauten. Es sei schlicht nicht mehr zeitgemäss, dass die Frau zu Hause für die Kinderbetreuung zuständig sei. Mit dieser Motion werde aber genau wieder Druck auf die Frau ausgeübt, zu Hause zu bleiben und zu den Kinder zu schauen.

Man kann sogar von einer modernen Versklavung der Frau sprechen. Ich frage mich, wie man solch einen Vorschlag nur unterstützen kann?

François Ingold

Der gepfefferten Wortmeldung Ingolds folgte Gelächter durch die Grossrätinnen und Grossräte im Saal. Einer, der aber nicht mitlachte, war Co-Motionär Laurent Baeriswyl.

Für eine solche Aussage habe ich absolut null Verständnis. Das ist eine Frechheit allen Müttern und Vätern gegenüber, die ihr Kind zu Hause betreuen!

Laurent Baeriswyl

Alle Beteuerungen der Mitte Fraktion, die verschiedenen Familienmodelle nicht gegeneinander ausspielen zu wollen, nützten nichts. Aus der Fraktion der Grünen kam geschlossen ein Nein zur Motion von Schwaller-Merkle und Baeriswyl.

Für die SP der falsche Weg

Ebenfalls klar gegen die Vorlage sprach sich die SP aus, wenn auch mit etwas diplomatischeren Wortmeldungen. SP Grossrätin Chantal Müller sagte nach der Diskussionsrunde, dass sie weder über das eine noch das andere Familienmodell werten möchte. Für sie sei aber die Frage, ob ein Elternteil arbeite oder nicht, vor allem eine finanzielle Frage. Deshalb würden von den Steuererleichterungen vor allem die Reicheren profitieren und nicht jene, die es wirklich nötig hätten, zeigte sich Chantal Müller überzeugt. Weiter gab die SP Politikerin zu bedenken, dass sich auch heute immer noch hauptsächlich die Frauen für die Kinderbetreuung verantwortlich fühlten.

Ein Argument, das bis in die Mitte hinein Zustimmung erfuhr. Denn selbst bei der Motionspartei, standen nicht alle geschlossen hinter dem Vorschlag. "Dies bedauerten wir natürlich", so Laurent Baeriswyl. "Einzelne Stimmen waren der Meinung, dass man mit der Motion Errungenschaften aus der Vergangenheit wieder zunichtemachen würde." Konkret verbreitete sich also auch bei der Mitte die Sorge, dass die Frau wieder zurück ins Haus gedrängt würde.

FDP als Zünglein an der Waage

Unterstützung erhielt die Mitte von der SVP. Auch die Schweizerische Volkspartei betonte, dass Eltern, die ihre Kinder nicht fremdbetreuen lassen, nicht diskriminiert werden dürfen. Zu den Befürwortern zählten sich auch einzelne GLP Parlamentarier. Rein von dieser Zusammensetzung wäre das Anliegen mehrheitsfähig gewesen. Allerdings stellte sich auch die FDP gegen die Motion. Hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen, wie es aus der Partei hiess.

Somit folgte der Grosse Rat in der Endabstimmung dem Staatsrat und verwarf die Motion mit 51 Nein Stimmen gegenüber 42 Ja Stimmen. Neun Grossrätinnen und Grossräte enthielten sich.

Trotz der Enttäuschung zeigte sich Laurent Baeriswyl am Ende der Sitzung verhalten optimistisch. Das Thema sei gross diskutiert worden. Und auch von Linker Seite hätte er Signale erhalten, dass das Anliegen grundsätzlich auf Zustimmung stossen könnte, halt nur nicht in dieser Form. In welcher dann, dafür brauche es nun wieder Diskussionen und Sitzungen, um das Anliegen mehrheitsfähig zu machen.

RadioFr. - Ivan Zgraggen
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