Observationen bleiben zeitlich befristet
Rückzahlungen, Observationen und Zusammenlegungen der Sozialdienste standen im Mittelpunkt der ersten Lesung des neuen Sozialhilfegesetzes. Diese wurde am Dienstag abgeschlossen.
Das neue Sozialhilfegesetz hat am Dienstagnachmittag eine parlamentarische Hürde genommen. Der Grosse Rat konnte die erste Lesung abschliessen. Am Donnerstag steht die zweite Lesung auf den Traktanden. Während zu Beginn der ersten Lesung im Juni die Zusammenlegung der Sozialdienste am meisten Wortmeldungen generierte, beschäftigte sich der Grosse Rat am Dienstag vor allem mit der Observation der Bezügerinnen und Bezüger von Sozialhilfe sowie der Rückzahlungspflicht dieser Hilfe.
Grundrechte, auch in der Sozialhilfe
Der Staatsrat schlug in seinem Gesetzesentwurf vor, dass Observationen während höchstens 30 Tagen innerhalb von sechs Monaten stattfinden dürfen. Als Sprecher der Kommissionsminderheit forderte Stéphane Peiry (SVP, Corminboeuf), diese Begrenzung aus dem Gesetz zu streichen. «Es gibt Personen, die Sozialhilfe beziehen und nebenbei schwarzarbeiten, aber oft unregelmässig.» Darum sei es wichtig, dass Inspektoren verdächtige Bezüger auch über längere Zeit beobachten dürfen. «Ich bin überzeugt, dass die Sozialdienste das Instrument der Überwachung nicht missbrauchen werden», so der Grossrat.
Der Kampf gegen Missbrauch der Sozialhilfe ist notwendig.
Eine klare Mehrheit im Grossen Rat – 78 Abgeordnete – wollte allerdings an zeitlich begrenzten Observationen festhalten. Peirys Antrag fand nur 19 Unterstützerinnen und Unterstützer. «Auch in der Sozialhilfe hat man Grundrechte», erinnerte Antoinette de Weck (FDP, Freiburg). Eine unbefristete Beobachtung wäre eine Verletzung der persönlichen Freiheit. Zudem seien 30 Tage bereits ein genügend langer Zeitraum. «Eine Untersuchung wird gestartet, wenn Zweifel vorliegen. Die Lokalpolizei bekommt dann genaue Anweisungen, was sie überprüfen soll, und konkrete Ergebnisse liegen schnell vor.» Bei neuen Informationen könnte der sechsmonatige Zeitraum verlängert werden.
«Der Kampf gegen Missbrauch der Sozialhilfe ist notwendig», bekräftigte Benoît Rey (Mitte links-CSP, Freiburg). Aber die Rechte und der Respekt gegenüber den Bezügerinnen und Bezügern von Sozialhilfe dürften nicht verneint werden. Armand Jaquier (SP, Romont) warnte davor, ohne Anlass Personen zu observieren. Das wäre übergriffig. «Aber sobald ein Verdacht gegen eine Person besteht, ist es richtig, diese zu observieren.»
Auch Sozialdirektor Philippe Demierre (SVP) bevorzugte eine zeitliche Begrenzung: «Andernfalls gibt es ein Risiko für endlose Untersuchungen.» Es gehe hier auch um einen effizienten Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen.
Rückerstattungspflicht lockern
Die Rückzahlungspflicht hält die Betroffenen in ihrer prekären Situation fest und ist kontraproduktiv für ihre Rückkehr auf den Arbeitsmarkt.
Unterstützung erhielt er unter anderem von Chantal Pythoud-Gaillard (SP, Bulle): «Die Rückzahlungspflicht hält die Betroffenen in ihrer prekären Situation fest und ist kontraproduktiv für ihre Rückkehr auf den Arbeitsmarkt.» Es könnte nämlich finanziell interessanter sein, in der Sozialhilfe zu verbleiben, anstatt eine Arbeit aufzunehmen und die Hilfe dann zurückzahlen zu müssen.
Wenige Betroffene
Durchsetzen konnte sich aber schliesslich ein anderes Argument. Weil erst ab einer bestimmten Einkommenshöhe die Sozialhilfe zurückbezahlt werden muss, werden die meisten Bezügerinnen und Bezüger von dieser Pflicht gar nicht betroffen sein, gab Anne Meyer Loetscher (Die Mitte, Estavayer-le-Lac) zu bedenken. Antoinette de Weck von der FDP war derselben Meinung. «Die Sozialhilfe ist eine Garantie, die die Gesellschaft gibt. Die Rückzahlungspflicht ist der Preis, den es zu zahlen gilt, um diese Garantie zu behalten», sagte Stéphane Peiry.