«Wann fühlst du dich schön?»
Wie Jung und Alt verbindet, wie Senioren zu Jugendlichen stehen und was junges Gemüse von der Kraft gereifter Weisheit ziehen können, aber auch umgekehrt - das möchte Frapp wissen.

So viel vorweg: So anders sind die Generationen gar nicht, und ja, den momentanen Umständen zum Trotz oder sei Dank: da müssen wir alle gemeinsam durch! Hauptsache, verbindlich, verständnisvoll und in einem respektvollen und spielerischen Umgang.
Im zweiten Teil der Serie Generationen im Gespräch tauschen sich Mutter und Tochter über Frauenthemen aus: Rosalie Hegar, Mitte 80, und Bea Bart-Hegar, Mitte 50.
Die selbstbestimmte Frau, das Frauenstimmrecht oder die Freiheit eigener Gedanken bestimmen das Gespräch auch - aber nicht nur: Es geht um das Frausein. Um Schönheit, um Selbstbewusstsein und ja, auch um eine herzliche Mutter-Tochter-Beziehung, über die Bea nach dem Gespräch sagt, «es sei einer dieser Augenblicke gewesen».
«Wann fühlst du dich schön?» fragt Bea ihre Mutter Rosalie. «Wenn ich mich körperlich einfach wohl fühle.» meint sie dazu und «Wenn ich mir selber gefalle». Mutter und Tochter sind sich einig, dass sich schön fühlen heisst, wenn frau wohl in ihrer Haut ist. Und schön fühlt sich Bea dann auch, «wenn ich mich geachtet fühle – oder sogar geliebt.» Schönheit entstehe bei ihr aus einem psychischen Zustand.
Was war als Frau im Leben besonders prägend? Rosalie überlegt und meint: «Ich hatte wegen meiner Mutter immer so zu sein, wie sie es von mir wollte. Dabei wollte ich immer mich selber sein, so wie ich mir selber gefalle.» Rosalie hat sich von dieser Rolle befreit und passte sich nicht mehr an. Ihre Liebe zu edlen Stoffen, schönen Kleidern, extravaganten Gewändern ist ihr von ihrer Mutter, Damenschneiderin, gegeben und ist geblieben. Auch ihr Geschick, sich schön zu kleiden, kultiviert die Seniorin bis heute. Bea meint auch, dass ihre Mama mit Kreativität und Stil wie ein Bild von sich malt. Dazu meint Rosalie: «Mein Lieblingskleid ist immer das Kleid, das am besten zu meiner Stimmung passt.»
Emanzipation ist für Mutter und Tochter eine selbstverständliche Sache: «Ich kann einfach nicht verstehen, dass sich andere Frauen von Familie oder Mann diktieren lassen.» betont Rosalie, die mit ihren 85 Jahren auch die Zeiten erlebt hat, in der sich die Frau dem gesellschaftlichen Diktat beugen musste. «Ich habe von meiner Mutter die Liebe zur Freiheit geerbt. Wir sind beide unabhängig, deshalb habe ich auch das Gefühl, wie wichtig es ist, Menschen um uns zu haben, die uns leben lassen und uns nicht einschränken.» umschreibt Bea ihre Sicht zur Emanzipation.
Frau zu sein, bedeutet in Rosalies langem Leben auch, «dass ich irgendwann gemerkt habe, wie ich bei den Menschen mit meiner Art, so wie ich eben bin, ankomme. Meine Selbstverwirklichung empfinde ich als etwas Schönes.» Prägend in ihrem Frausein war für Rosalie auch, dass sie immer gesehen wurde, weil sie so anders war – anders sein wollte.
Über den auffälligen Stil ihrer Mutter, die wallenden Gewänder, vom Dirndl, über Glitzer bis zum Pelzmantel meint Bea rückblickend: «Meine Mama hat sich immer selbstverwirklicht, ihre Stimmung nach aussen getragen.» Sie selber habe das viel weniger, fühlt sich im schwarzen Kleid und im Blazer wohl. Über die Extravaganz ihrer Mutter sagt sie: «Ich hatte oft das Gefühl, jetzt ist ihr Outfit zu übertrieben, zu auffällig. Mittlerweile weiss ich: meine Mutter macht es genau richtig.» Wenn die Leute Bea über ihre schöne, spezielle Mutter ansprechen, mache sie das heute stolz: «Du machst es super!» ist ihr ehrliches Kompliment an Rosalie. Das Gespräch mündet in einen dankbaren und berührenden Augenblick – eben einer dieser Augenblicke.