"Perfektion ist eine schwierige und schöne Herausforderung"

Was steckt hinter den Auszeichnungen von Michelin und Gault-Millau? Spitzenköche erzählen, wie es in der Haute Cuisine zu und her geht.

In der Haute Cuisine kommt es auf jedes Detail an. © Keystone

Wer gerne gutes Essen geniesst, greift auch mal etwas tiefer ins Portemonnaie. Feinschmeckerinnen und Feinschmecker orientieren sich bei der Wahl des Restaurants oftmals an den Auszeichnungen der Haute Cuisine: Sterne, Punkte oder Kochmützen. Bei diesen Auszeichnungen gibt es aber grundlegende Unterschiede. 

Michelin-Sterne oder Gault-Millau-Punkte?

Diese Auszeichnungen sind zwei verschiedene und dennoch ähnliche Bewertungssysteme in der Haute Cuisine. Der Michelin-Stern ist etwas bekannter als das Gault-Millau-Punktesystem. Unter anderem, weil als Synonym für die Haute Cuisine und deren Köche oftmals die Begriffe "Sterneküche" und "Sternekoch" benutzt wird. Ausserdem gibt es die Sterne schon etwas länger und sie sind international anerkannter als die Gault-Millau-Punkte. (Erklärung zu den Bewertungssystemen siehe unten)

Im Kanton Freiburg gibt es zurzeit fünf Restaurants mit Michelin-Sternen und 25 Restaurants mit Gault-Millau-Auszeichnungen.

Die Restauranttester

Um eine Auszeichnung zu erhalten, werden die Restaurants regelmässig getestet. Anders als im Disney-Film "Ratatouille" steht jedoch nicht alles Kopf, wenn der berühmt-berüchtigte Tester im Restaurant vorbeischaut. Die Restaurants wissen nicht Bescheid, wann jemand zur Bewertung kommt. Auch Notizen werden während des Essens keine gemacht. Ein solcher Besuch lasse sich aber erahnen, erklärt Alain Bächler, Spitzenkoch und ehemaliger Chef des "Trois Tours" in Bürglen: "Wenn jemand mit französischem Kontrollschild alleine bei uns zum Essen kam und viele Fragen gestellt hat, dann wurde man schon darauf aufmerksam." 

Um sich davon zu überzeugen, ob ein Restaurant das Niveau halten kann, kommen die Tester mehrmals vorbei. Je höher die Auszeichnung, desto öfter wird getestet.

Der Verlust eines Sterns kann weh tun

Kann ein Restaurant das Niveau nicht halten, so kann es einen Stern oder einen Punkt auch wieder verlieren. Der gebürtige Sensler und Teilinhaber des "Du Bourg" in Biel, Christian Aeby, meint aber, dass das nicht so schnell passiert: "Man verliert den Stern nicht, weil man einmal einen schlechten Tag hat." Erst, wenn das Niveau mehrmals nicht mehr der Bewertung entspricht, kann ein Restaurant einen Stern verlieren, so Aeby.

Köche der Haute Cuisine sind auch nur Menschen und auch hier können Fehler passieren.

Christian Aeby

Verliert ein Restaurant einen Stern, dann schmerzt das auf mehreren Ebenen, erklärt Alain Bächler. "Es verletzt nicht nur das eigene Ego. Es kann auch finanzielle Folgen haben. Das ist die Schattenseite der Sterne."

Auszeichnungen: Fluch oder Segen?

Erhält ein Restaurant einen Michelin-Stern oder weitere Gault-Millau-Punkte, so sorgt dies nicht nur für Ansehen, sondern auch für wochenlang ausgebuchte Gästebücher. Finanziell gesehen ist das ein Segen. Auch das Anstreben von weiteren Punkten und höheren Bewertungen ist für viele Köche ein Ziel, das sie bewusst verfolgen.

Je höher ein Restaurant in der Bewertung steigt, desto mehr muss es investieren, erklärt Alain Bächler: "Es ist dann nicht mehr nur die Küche, die zählt. Der Service muss verbessert werden, das Interieur muss edler aussehen und auch das Tischgedeck muss erneuert werden. Und das bedeutet auch eine finanzielle Belastung." Laut Bächler liegt hier der Fluch dieser Auszeichnungen. Je höher ein Koch hinaus will, desto mehr Bürden lastet er sich selbst auf - sei dies in Form von finanziellem oder psychischem Druck. Und verliert ein Koch oder eine Köchin einen Stern oder einen Punkt, kann das sogar tödlich enden.

Einige Köche haben den Verlust eines Sterns nicht verkraftet und nahmen sich deswegen sogar das Leben.

Alain Bächler

Perfektion ist alles

Je höher die Auszeichnung, desto mehr muss jedes Detail stimmen. Denn das macht die Haute Cuisine aus, erklärt Thierry Jungo. Er hat seine Ausbildung in einer Haute Cuisine gemacht und 16 Jahre lang als Koch gearbeitet. "Um in der Haute Cuisine arbeiten zu können, muss man perfekt arbeiten wollen und auch können." Wenn das nicht gelingt, bedeutet dies auch eine psychische Belastung, so Jungo.

 Perfektion zu erreichen ist eine sehr schwierige und gleichzeitig schöne Herausforderung.

Thierry Jungo

Vor gut zweieinhalb Jahren hat er sich vom Beruf als Koch abgewandt und neu orientiert. Mit dem Druck der Haute Cuisine habe das aber nicht viel zu tun, erklärt Jungo. "Der Job als Koch nimmt die gesamte Freizeit in Anspruch. Für die Familie, Freunde und Vereine bleibt da keine Zeit. Und das hat mir gefehlt." In der Haute Cuisine würde er nicht mehr Fuss fassen wollen. Ob er irgendwann wieder als Koch arbeiten wird, steht in den Sternen.

So funktionieren die beiden Bewertungssysteme:

Beim Guide Michelin gibt es bis zu drei Sterne zu vergeben. Dabei geht es um verschiedene Bewertungskriterien. Michelin legt Wert auf die gleichbleibende Qualität und Frische der Zutaten, deren fachgerechte Zubereitung und die Harmonie der geschmacklichen Verbindung. Ausserdem ist die Innovation und Einzigartigkeit der Gerichte entscheidend. Einen Stern gibt es für ausgezeichnete Qualität. Für ein Restaurant, das einen Umweg wert ist, gibt es zwei Sterne. Und ganze drei Sterne gibt es für eine einzigartige Küche, die eine Reise wert ist.

Bei Gault-Millau gibt es maximal 20 Punkte oder vier Kochmützen. Die Bewertungskriterien ähneln stark denen des Michelin-Sterns. Bewertet werden die Qualität und Frische der Zutaten, die Kreativität und Qualität der Zubereitung, die geschmackliche Harmonie des Gerichts, die Garzeiten und letztlich die Präsentation der Gerichte. Anhand des Punktesystems werden die Kochmützen vergeben:

5 Kochmützen: 19 bis 19,5 Punkte: Höchstnote für die weltbesten Restaurants

4 Kochmützen: 17 bis 18,5 Punkte: Prägende Küche, führend in Kreativität, Qualität und Zubereitung

3 Kochmützen: 15 bis 16,5 Punkte: Hoher Grad an Kochkunst, Kreativität und Qualität

2 Kochmützen: 13 bis 14,5 Punkte: Sehr gute Küche, die mehr als das Alltägliche bietet

1 Kochmütze: 11 bis 12,5 Punkte: Ambitionierte Küche

10 bis 10,5 Punkte: Gute Küche, wie man sie in jedem gutbürgerlichen Haus voraussetzen kann.

Für ganze fünf Mützen muss eine Küche aber weltweit einzigartig sein. Diese Auszeichnung wird daher nur selten vergeben.

RadioFr. - Vanja Di Nicola
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