Ist der massenhafte Eierkonsum an Ostern ethisch vertretbar?

Vor Ostern läuft die Eierindustrie auf Hochtouren. Die Überproduktion nach den Festtagen zu stoppen, ist teuer - und ethisch problematisch.

Der Ostereier-Wahnsinn: Vor Ostern müssen die Regale voll sein, danach folgt der grosse Eier-Kater. © Unsplash

Alle Jahre wieder wird bei Herrn und Frau Schweizer gefärbt, versteckt und getütscht. Sind die Ostertage und die damit verbundenen Traditionen passé, bedeutet das Jahr für Jahr für hunderttausende Hühner das Ende ihres kurzen Lebens. Dass ausgerechnet das Ei an Ostern als Symbol der Wiedergeburt gilt, erscheint in diesem Zusammenhang paradox.

Tierschutzorganisationen kritisieren, dass nach Ostern unzählige gesunde Legehennen geschlachtet werden, weil sie "überzählig" sind. Eierproduzentinnen und Eierproduzenten relativieren.

20 Prozent mehr Nachfrage vor Ostern

In den letzten Jahren hat die Eier-Nachfrage in der Schweiz einen neuen Höhepunkt erreicht: Hierzulande wurden im letzten Jahr über 1,1 Milliarden Eier produziert. Herr und Frau Schweizer essen jährlich rund 186 Eier, Tendenz steigend.

Schweizer Eiermarkt: Entwicklung der Inlandproduktion nach Produktionssystem in Mio. Stück von 2013-2022, Quelle: Aviforum

Als Grund für die steigende Nachfrage gibt das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) die wachsende Bevölkerung und ein geändertes Konsumverhalten an, bei dem das Ei als Proteinquelle eine grössere Rolle spiele.

Das Problem an der Sache: Während die Hühner schön übers Jahr verteilt Eier legen, kaufen wir saisonal mehr oder weniger Eier. Vor Ostern, wenn plötzlich alle Eier en masse essen, steigt die Nachfrage um rund 20 Prozent.

Vorbereitung auf den Eier-Boom

Da die Legehühner ja nicht plötzlich mehr Eier legen können, braucht es zusätzliche Legehühner zur Verstärkung, um dem Färb- und Tütschbedürfnis nachzukommen. Diese Tiere werden extra dafür aufgezogen, um den kurzzeitig erhöhten Eier-Bedarf abzudecken. Mit einer massiven Aufstockung der Bestände bereiten sich die Schweizer Eierproduzentinnen und -produzenten jedes Jahr auf den Eier-Boom an Ostern vor. So auch Albert Brand vom Legehennen-Betrieb "La Prairie" in Cournillens.

Wir versuchen, unsere Produktion der Nachfrage anzupassen

Die Farm, die Brand von seinem Vater übernommen hat, ist bereits seit über 50 Jahren in der Familie. Rund 11'000 Hühner tummeln sich aktuell in seinen zwei Herden. Für die Planung richtet sich Brand nach der Nachfrage, die vor Ostern erhöht ist.

Die Legehennen von Albert Brand in Cournillens, aktuell wegen Vogelgrippe-Massnahmen ohne Freilandzugang.

Eier-Kater nach Ostern

Nach Ostern bricht die Eier-Nachfrage von einem Tag auf den anderen ein. Die Hühner legen aber munter weiter. Die Eierproduzentinnen und -produzenten haben drei Möglichkeiten, damit sie nicht auf den zu viel gelegten Eiern sitzenbleiben:

  • Legehennen schlachten
  • Eier aufschlagen für Eiprodukte oder verbilligt verkaufen
  • Eier länger haltbar machen durch Kochen

Legehennen sterben für Eierproduktion

Es gibt etwa zwei Millionen Althennen, die pro Jahr geschlachtet werden: Die Hälfte bis zwei Drittel der Althennen wird als Lebensmittel, beispielsweise in Form von Suppenhuhn oder Charcuterie, verkauft. Der Rest landet zur Energieerzeugung in der Biogasanlage.

Dass jedes Jahr nach Ostern so viele gesunde Legehennen nach einem Bruchteil ihrer Lebenszeit getötet werden, weil sie "überzählig" sind, kritisieren Tierschutzorganisationen.

Legehennen in Cournillens, als sie im Herbst noch Freilandzugang hatten.

Auch Albert Brand wechselt seine Truppen nach Ostern, wenn die Nachfrage abnimmt. "Die Legehennen sind dann rund eineinhalb bis zwei Jahre alt", erklärt er für seine Hühnerfarm. In vielen anderen Fällen werden die Hühner bereits nach einem Jahr - respektive wenn sie in die Mauser kommen und deshalb nicht mehr so produktiv sind - ausgestallt, geschlachtet oder vergast.

Ziel: Verwertung aller Schweizer Hühner als Lebensmittel

"Das Ziel der Branche ist, alle Schweizer Hühner als Lebensmittel zu verwerten", erklärt Eierproduzent Albert Brand, seinerseits auch Vizepräsident vom Verband Gallocircle, der sich unter anderem für die Verwertung von Althennen einsetzt.

Wenn jeder Haushalt in der Schweiz ein Suppenhuhn pro Jahr verbrauchen würde, könnten wir alle Schweizer Hühner verwerten

Je mehr Eier verzehrt werden, desto mehr Legehennen braucht es, die nur noch als Suppenhühner verwertet werden können. "Alle Konsumentinnen und Konsumentinnen müssten nach dem Essen von 300 Eiern ein Suppenhuhn kochen", erklärt Albert Brand. So wäre das Verwertungsproblem von Legehennen zumindest rein rechnerisch gelöst.

Blick in den Legehennenstall von Albert Brand in Cournillens.

Zwei Millionen an Subventionen

Die Eierproduktion kann trotz "Entsorgung" der Althennen nicht von einem Tag auf den andern heruntergefahren werden. Der Markt wird nach Ostern regelrecht von Eiern überschwemmt. Um Preiseinbrüche zu verhindern, greift der Bund der Eierbäuerinnen und -bauern regelmässig finanziell unter die Arme, mit sogenannten "Marktentlastungsmassnahmen". So heissen die Subventionen von zu viel produzierten Eiern. Für diese "Aufschlags-" und "Verbilligungsaktionen" sind pro Jahr zwei Millionen Franken budgetiert.

In den letzten Jahren war das Überangebot an Eiern nach Ostern allerdings so gross, dass Produzierende immer weniger Geld pro überschüssiges Ei erhielten. Während der Bund früher rund 9 Rappen pro Ei zahlte, das die Herstellenden aufgeschlagen und weiterverarbeitet haben, waren es letztes Jahr noch 5 Rappen. Für vergünstigt verkaufte Eier erhielten sie nur noch 4 statt 5 Rappen.  Im letzten Jahr wurden in der Aufschlagsaktion nach Ostern über 16 Millionen Eier aufgeschlagen. "Ich habe ein Ei-Aufschlagewerk. Da lässt sich Eiweiss und Eigelb getrennt zu Eiprodukten weiterverarbeiten. Für das Eiweiss habe ich einen Abnehmer im Greyerzerland", erklärt Eierproduzent Albert Brand.

Während solche Massnahmen für andere Branchen undenkbar wären, fliessen für die Überproduktion der Eierindustrie jedes Jahr zwei Millionen an Staatsgeldern. Die überzähligen Ostereier berappen also genau genommen die Steuerzahlenden.

Salat- oder Picknickeier

Eine Methode, um überzählige Eier nach Ostern länger haltbar zu machen, ist das Kochen und Färben der Eier. Eierproduzent und -verarbeiter Brand erklärt:

So kann die Haltbarkeitsdauer um einen Monat verlängert werden

Da gekochte und gefärbte Eier rechtlich als verarbeitete Eier gelten, dürfen sie länger verkauft werden. Für rohe Eier gelten hingegen strenge Regeln. Sie sind insgesamt nur 28 Tage haltbar. Das machen sich Produzierende zunutze, indem sie ihre Eier kochen und färben, um sie später in Supermärkten als Salat- oder Picknickeier vertreiben.

Mehr zum Thema:

Frapp - Nadina Schneuwly