"Der Staat hat sich für Zwangsmassnahmen entschieden"

2019 kam beim Brand der Conciergerie des Poya-Schlosses eine Person ums Leben. Der Staat liess das denkmalgeschützte Haus zwangssanieren.

Erst ein Jahr nach dem Brand konnte der Kanton das Dach der Conciergerie sanieren lassen. © Frapp

RadioFr. hat mit Betroffenen des Poyabrandes gesprochen. Alle Folgen der Serie erscheinen fortlaufend auf RadioFr. und sonntags als ganzer Podcast auf Frapp und Spotify.

Das Poya-Schloss ist für den Kanton Freiburg sowohl ein Aushängeschild als auch ein Sorgenkind. Das Bauwerk gehört zu einem der bedeutendsten seiner Art in der Schweiz, sagt Stanislas Rück, Dienstchef vom Amt für Kulturgüter des Kantons Freiburg. "Das Landschloss ist eng mit der Geschichte des Kantons und der Stadt verbunden." Gebaut wurde es zwischen 1698 und 1701. "Die ganze Anlage besteht aus verschiedenen Gebäuden und einem Park", sagt Rück. Dazu gehört auch die Conciergerie aus dem Jahr 1912, die wie das Poya-Schloss unter Denkmalschutz steht.

Das historische Erbe des Kantons Freiburg befindet sich allerdings im Besitz einer französischen Aristokratenfamilie, deren Mitglieder zerstritten sind - eine Herausforderung für den Kanton Freiburg. Denn die Besitzerinnen und Besitzer lassen das Anwesen zerfallen. "Wir haben regelmässig reagiert und verlangt, dass etwas geschieht", sagt Stanislas Rück. Bei Kulturgütern kann der Kanton Arbeiten anordnen, wenn beispielsweise Sicherheitsprobleme bestehen. Doch selbst in Aussicht gestellte Subventionen zeigten im Fall des Poya-Schlosses keine Wirkung. Alles scheiterte daran, dass sich die Besitzerinnen und Besitzer zu keiner Entscheidung durchringen konnten.

Tragische Konsequenzen

In der Nacht vom 6. auf den 7. April 2019 bricht in der Conciergerie ein Brand aus. Im Haus wohnen zu dieser Zeit zehn Personen in zwei WGs. Während sich einige von ihnen in letzter Sekunde retten können, kommt einer der Bewohner ums Leben. Die Feuerwehr steht die ganze Nacht und den darauffolgenden Tag im Einsatz, um das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Die Brandursache bleibt bis heute ungeklärt.

Das Feuer verursacht eine menschliche Tragödie - und zerstört die ganze Dachstruktur der Conciergerie. Nach einer ersten Einschätzung nimmt Denkmalschützer Stanislas Rück Kontakt mit der Besitzerfamilie auf. Er will wissen, wie sie das Gebäude instand stellen wollen. "Schnell hat sich herauskristallisiert, dass keine Entscheidung gefällt wird", sagt er. Doch dieses Mal bleibt es nicht bei der Aufforderung des Kantons. Aufgrund des undichten Daches drohen die Folgeschäden immer grösser zu werden. "Deshalb hat sich der Staat für Zwangsmassnahmen entschieden", sagt Rück.

Enteignung als letzte Massnahme

Bis es dazu kam, verging viel Zeit. Federführend in diesem Prozess war das Oberamt. Die Besitzerfamilie erhielt nochmals eine Frist, um die Schäden selbst zu beheben. Gegen die beschlossenen Zwangsmassnahmen konnte sie zudem Rekurs einleiten. "Wir konnten erst ein Jahr nach dem Brand wirklich mit den Arbeiten beginnen", sagt Rück. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Dach notfallmässig mit Planen abgedeckt.

Für die teilweise Sanierung der Conciergerie war ein grosses handwerkliches Wissen nötig. Anhand alter Aufnahmen der Conciergerie entwarf ein Architekt den Plan für die Sanierung. Umgesetzt wurde der Plan von spezialisierten Zimmerleuten und Dachdeckern. "Die Besitzerschaft hatte gar nichts mehr zu sagen", sagt Stanislas Rück. Die Behörden ergriffen dabei nur die nötigsten Massnahmen. Das Innere des Hauses bleibt in der Verantwortung der Besitzerfamilie und ist nach wie vor eine Brandruine.

Die Kosten für die Sanierung des Daches in der Höhe von 1,7 Millionen Franken müssten die Besitzer und Besitzerinnen übernehmen. Das ist bisher jedoch noch nicht geschehen. Die Schulden sind im Grundbuch eingetragen, erklärt Stanislas Rück. "Der Staat kann jederzeit verlangen, dass diese Beiträge zurückerstattet werden." Würde die Familie auch darauf nicht reagieren, bleibt dem Kanton eine letzte Massnahme: die Enteignung. Das sei nicht das Ziel, so Rück. "Wir haben nach wie vor Kontakt mit der Besitzerschaft, aber sie ist in zwei Lager geteilt." Geht es so weiter, könnte das Poya-Schloss in den Besitz des Kantons übergehen, nachdem es über 300 Jahre in privater Hand war.

Bewohnerinnen und Bewohner, ein Feuerwehrmann und ein Soldat haben erzählt, wie sie die Nacht des Brandes erlebt und verarbeitet haben. Wie nimmt die Besitzerfamilie die Situation wahr? Das möchte Chefredaktor Mario Corpataux von Redaktor Yves Kilchör wissen in der letzten Folge der RadioFr.-Serie zum Brandfall Poya.

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RadioFr. - Yves Kilchör / Fabio Peter
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