"Manchmal glaube ich, das alles ist ein Traum"

2019 kam beim Brand der Conciergerie des Poya-Schlosses der Ehemann von Sobia ums Leben. Sie war von ihm schwanger.

RadioFr. hat mit Betroffenen des Poyabrandes gesprochen. Alle Folgen der Serie erscheinen fortlaufend auf RadioFr. und sonntags als ganzer Podcast auf Frapp und Spotify.

Die Geschichte zwischen Sobia und Waqas beginnt im über 7000 Kilometer entfernten Pakistan. Sobia studiert Mathematik. Waqas arbeitet schon seit Längerem in der Schweiz, ist aber zu Besuch bei seiner Familie. "Unsere Eltern sind verwandt miteinander", sagt Sobia. Und: Sie haben beschlossen, dass Sobia und Waqas heiraten sollen. 2017 treffen sich die beiden zum ersten Mal. Waqas hinterlässt bei Sobia einen guten Eindruck. Er ist etwa gleich gross und sieht nett aus.

Arrangierte Hochzeiten sind in Pakistan üblich. Verantwortlich für den Bund des Lebens sind die Eltern. Nach der Hochzeit beantragt Waqas in der Schweiz ein Visum für Sobia. Ein Jahr vergeht. "Kurz nachdem ich das Visum erhalten habe, bin ich schwanger geworden", sagt Sobia. Deshalb konnte sie nicht reisen. Sobia bleibt vorerst in Pakistan bei ihrer Familie, die sie unterstützt.

Keine gemeinsame Zukunft

Schliesslich organisiert Waqas ein Flugticket für Sobia in die Schweiz. Am 12. April 2019 soll es so weit sein. Doch aus dem Plan eines gemeinsamen Lebens wird nichts. Am 6. April hört Sobia Waqas' Stimme ein letztes Mal. "Er hat mir gesagt, dass wir morgen telefonieren", sagt Sobia. Unter der Woche arbeitet Waqas für ein Telekomunternehmen, am Wochenende in der Gastronomie. An diesem Abend wird es zu spät, um noch zu telefonieren.

Am Sonntag wartet Sobia auf Waqas' Anruf - vergebens. Sie will ihn nicht stören, da er viel arbeitet. "Aber ich hatte kein gutes Gefühl", sagt Sobia. Sie schreibt ihm, erhält aber keine Antwort. Was Sobia nicht weiss: In der Nacht vom 6. auf den 7. April 2019 brennt in Freiburg die Conciergerie des Poya-Schlosses - das Haus, in dem Waqas lebt. Seine Mitbewohnerinnen und Mitbewohner können sich retten, doch Waqas kommt beim Brand ums Leben.

Eine Person aus der Schweiz erreicht schliesslich Waqas' Bruder und informiert ihn. Der Schwager von Sobia zweifelt. Er sagt Sobia, sie soll Waqas dringend kontaktieren. Sie versucht es erneut - doch noch immer nimmt er das Telefon nicht ab. Über Facebook nimmt Sobia Kontakt zu einer Mitbewohnerin von Waqas auf - diese bestätigt ihr, was schon Sobias Schwager gehört hat: Waqas ist gestorben. Sobia kann es nicht fassen. Bis heute nicht. "Manchmal glaube ich, das alles ist ein Traum."

Witwe in einem fremden Land

Für Sobia ist klar: Sie muss in die Schweiz. Die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner von Waqas unterstützen Sobia dabei und finden eine Gastfamilie für sie. "Irene und Franz sind wie meine Eltern und ich wie ihre Tochter", sagt Sobia.

Die Brandruine der Conciergerie betritt Sobia nie. Das hätte sie zu fest mitgenommen. "Ich war schwanger und wollte nicht auch noch mein Kind verlieren." Ein halbes Jahr nach dem Brand kommt Sobias Tochter Haniya auf die Welt. Kein einfacher Moment für die Mutter. "Waqas hat sich so fest auf das Baby gefreut." Mit Haniya geht es Sobia aber besser.

Doch das nächste Problem folgt bereits: Sobias Aufenthaltsbewilligung läuft nach drei Monaten aus. Waqas hatte für sie gebürgt. Nach mehreren Monaten erreicht ein Anwalt jedoch, dass Sobias Aufenthaltsbewilligung verlängert wird. Trotzdem kehrt Sobia nach Pakistan zurück, um ihr Mathematikstudium zu beenden. Wegen Corona verzögert sich alles.

In der Schweiz kommt Sobia dank einer Witwenrente über die Runden. Mittlerweile sind drei Jahre seit dem Brand vergangen. Sobia blickt nach vorne. Doch bis heute weiss sie nicht, ob sie hierbleiben oder in ihre Heimat zurückkehren soll. "Für meine Tochter ist es besser in der Schweiz, aber wir sind alleine", sagt Sobia.

Axel erfährt unterwegs, dass es in seiner Wohnung einen Brand gab und jemand ums Leben kam. Doch damit nicht genug: Er muss gegen die Besitzer des Hauses - eine französische Aristokratenfamilie - vor Gericht ziehen. Alles dazu in der nächsten Folge zum Brandfall Poya.